Ausgrabungen Dünsberg 1999
Vom 2. bis 27. August führte Herr Rittershofer mit Unterstützung der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen Ausgrabungen am keltischen Oppidum auf dem Dünsberg durch. In zwei rechtwinklig zueinander orientierten, mit Hilfe geomagnetischer Prospektion angelegten Schnitten von 110 und 70 auf 5 Meter wurde der äußere Wall im Süden westlich von Tor 4, das davor befindliche Gelände sowie der nach Süden orientierte Strahlenwall untersucht. Die beiden Wälle und deren Vorgelände wurden in jeweils 1.50 m Breite bis zum gewachsenen Boden gegraben, womit Kontrollprofile für die im nächsten Jahr vorgesehene Abtiefung in Plana vorliegen.
Der an einer Geländekante angelegte Strahlenwall (Schnitt 2) beinhaltet die untersten Lagen einer etwa 5 m breiten Holzbalkenkonstruktion, die als dunklere bzw. hellere Erdverfärbung in dem aus anstehendem Kieselschiefer und Erde bestehenden Füllmaterial sichtbar wurde. Vorder- und Hinterkante der ursprünglichen Mauer von unbekannter Höhe wird von etwa 30 bis 40 cm starken Balken gebildet, die mit ähnlich starken, rechtwinklig dazu orientierten Querbalken in einem Abstand von jeweils ca. 2 m verbunden sind. Die Erdverfärbung der Balkenköpfe weist an der hangabwärts gelegenen Wallfront über den Längsbalkenschatten hinaus. Nähere Konstruktionsdetails ließ der Befund nicht erkennen. Vor einer schrägen Berme von ca. 80 cm Breite ist auf der unteren Geländekante ein etwa 3 m breiter und 2,50 m tiefer, bereits bei der Geophysik kenntlicher Spitzgraben in den nahezu vertikal orientierten Kieselschiefergeschiebeuntergrund eingetieft. In der Wallverfüllung und in den mittleren und oberen Lagen der mehrphasigen wannenförmigen Grabenverfüllung fanden sich einige Spätlatène-Keramik- und Eisenfragmente, die eine feinchronologische Ansprache nicht zulassen.
Etwa 5 m hinter der Hauptwall-Krone (Schnitt 1) fanden sich auf dem hier aus tonig durchmischtem Kieselschiefergeschiebe bestehenden Untergrund spärliche Reste einer fast völlig abgebauten Wallkonstruktion mit in Spuren erkennbaren Holzkastenresten, die auf eine usprüngliche Stärke von etwa 5 m im Aufgehenden hindeuten. Davor ist bis in ca. 2 m Tiefe, bezogen auf die alte Oberfläche, ein Graben mit wannenförmiger Sohle eingetieft. In einer späteren Phase wurde vor diesem Graben auf dem gewachsenen Untergrund eine Pfostenschlitzmauer errichtet, die im Profilschnitt westlich durch eine vertikale helle Verfärbung von 35 cm Stärke und eine quadratische Pfostenstandspur gleicher Dimension und östlich in Schnitt und Profil mit bis zu drei Lagen Schalenmauersteinen dokumentiert ist. Der vertikale Frontbalken ist mit einer Konstruktion aus 2 in einem Abstand von 1,4 m angelegten schräg nach unten in den Graben eingebrachten Zugankern, welche wiederum durch horizontale Balken gestützt und mit der Frontkonstruktion verbunden sind, gesichert. Die schrägen Zuganker haben sich in einer Länge bis zu 3,20 m als Hohlräume in der extrem festen Hinterfüllung der Pfostenschlitzmauer erhalten. Bei dieser Stein-Erde-Mischung dürfte es sich um die Reste des abgebauten Vorgängerwalles handeln, mit denen dessen Graben und die Neukonstruktion aufgefüllt wurden. Vor der Pfostenschlitzmauer ist der gewachsene Boden parallel zur natürlichen Hangneigung ohne Unterbrechung erhalten, d.h. wie bereits durch die geophysikalische Prospektion angedeutet war vor der jüngsten Stadtbefestigung kein Graben. Die Hohlräume der vergangenen Balkenkonstruktion wurden soweit möglich mit Gips ausgegossen. Die daraus gewonnene Positivform weist auf kaum bearbeitete Baumstämme, an denen Aststümpfe bis zu einer Länge von 10 cm stehenblieben. Im Mauerversturz und hinter der Wallkrone sind bereits knapp unter dem Waldhumus ungewöhnlich viele spätkeltische und einige römische Waffen- und Pferdegeschirr-Reste zusätzlich zum üblichen Siedlungs-Fundspektrum geborgen worden.
Nach Süden außerhalb des Außenwalls wird der kalkfreie, aus Ton und Kieselschiefergeschiebe bestehende Untergrund in einer Stärke von bis zu 80 cm von einem sehr lockeren, homogen sandig-lehmigen Auftrag überlagert, der nach Regenfall eine sehr weiche Konsistenz aufweist, und in den dicht unter der heutigen Oberfläche aus 5 cm Waldhumus beginnend bis in etwa 50 cm Tiefe zahlreiche Waffenfunde, Pferdegeschirr und Reste von Wgenteilen eingetieft sind. Normaler Siedlungsniederschlag (SLT und wenig MLT) ist dagegen gering vertreten. Das kriegstechnische Material besteht nach einer ersten Übersicht zu etwa 95% aus spät- bis spätestkeltischen Angriffs- und Schutzwaffen wie Schildbuckel, Schildnägel, Schwertfragmenten, vielen Lanzenspitzen und zu etwa 5% aus römischen tendenziell augusteischen Fernwaffenteilen (Pilumspitze, Lanzenspitze, Schleuderbleie, plumbata). Das Fundspektrum aus Altgrabungen um die Jahrhundertwende, das von G. Jacobi vorgelegte Metallfundmaterial vor Tor 4, die von C. Schlott in seine Magisterarbeit von 1984 einbezogenen und die seither bekanntgewordenen Funde von Sammlern und Sondengängern entsprechen damit weitgehend dem unserer Grabung. Die seit dem ersten Auftreten der Waffenfunde immer wieder geäußerte Hypothese vom Ende des Dünsberges in einer kriegerischen Aueinandersetzung, die möglicherweise in Verbindung mit den Chattenfeldzügen des Drusus um 10 v. Chr. zu sehen ist, findet damit eine Bestätigung.
An der Grabung nahmen studentische Mitarbeiter aus Marburg und Frankfurt, als grabungstechnischer Leiter Bernd Bettwieser, als Leiter der Fundabteilung Jens Schulze-Forster sowie zahlreiche ehrenamtliche Helfer teil. Ideelle und materielle Unterstützung wurde von zahlreichen Institutionen und Persönlichkeiten gewährt: Stephen Bender, Gemeinde Biebertal, Bundeswehr, Heide Degen MdL, Deutsche See, Deutsches Rotes Kreuz, Deutsche Telekom, Dünsberg-Raststätte Adolf Schäfer, Dünsberg-Verein, Edeka-Markt Rodheim-Bieber, Fleischer-Innung Gießen, Forstverwaltung Wettenberg, Archäologische Gesellschaft in Hessen, Gießener Brauhaus, Granovita Gesundkostwerk, Helfervereinigung des THW und Technisches Hilfswerk, Herbert Keller, Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen, Krauskopf GmbH&Co., Landratsamt Gießen, Licher-Brauerei, Naturawerk, H. Nitsche, Orion Fachgeschäfte, Rewe-Nahkauf Fellingshausen, Römisch-Germanische Kommission, Saalburg-Museum, Schmall Getränkefachgroßhandel, Sparkasse Wetzlar, Studentenwerk Frankfurt, Metzgerei Stumpf GmbH, Terra Inkognita Institut für kulturgeschichtliche Medien, Ernst Trautwein, Vitam Hefe-Produkt GmbH, Vogelsberg-Höhenclub, Bäckerei Volkmann, Metzgerei Udo Paul Weber, denen unser Dank gilt.