Grabungsbericht Dünsberg 2001

 

In einer vierwöchigen Grabungskampagne im Juli 2001 wurde der in den letzten beiden Jahren begonnene Schnitt abgeschlossen. Zudem wurden bodenkundliche Bohrungen und Begehungen mit Kartierungen von Lesefunden im weiteren Umfeld der Grabungen durchgeführt. In den ersten beiden Wochen fand eine vermessungs­tech­nische Übungsveranstaltung der FH Frankfurt statt, in deren Verlauf eine 80 m breite „Schneise“ westlich der Grabung bis zum Gipfel des Dünsberg mit festen Ver­messungspunkten vermarkt wurde sowie das lokale Meßsystem der Grabung über­prüft wurde.

 

Grabung

Die Grabungsbereiche südlich des Waldweges waren bereits im Jahr 2000 fertig untersucht und wieder verfüllt worden, so daß sich die diesjährige Gra­bung auf den Bereich nördlich des Waldweges konzentrierte. Die stufen- bzw. terras­senartig angelegten Plana wurden schrittweise bis auf den anstehenden Boden abgetieft, die Funde geborgen und dreidimensional eingemessen, die Verfärbungen dokumentiert.

Da wir hier die Grabenverfüllung, die unteren Teile des Walles selbst sowie Teile der Siedlungsfläche untersucht haben, war von vornherein nicht mit „spektakulären“ Funden zu rechnen (wie z.B. im Bereich südlich vor Tor 4), sondern es wurde stärkeres Augenmerk auf die Befunde gerichtet – die im Boden erhaltenen Überreste von Gebäuden oder Elementen der Wallkonstruktion. Immerhin konnten mit einem eisernen, aufwendig verzierten spätkeltischen Reitersporn sowie einem Stück leuchtend blauen Glasarmrings – einem typischen Bestandteil des Frauenschmucks dieser Zeit – auch ein paar Funde gemacht werden, die über das auf den ersten Blick wenig ansehnliche Scherben-Fundgut hinausgehen. Daß auch die Scherben durchaus wichtige Forschungsergebnisse erbringen können, wird die künftige Auswertung zeigen.

Nach der kompletten Freilegung des Grabens aus der ersten Phase der Befestigung zeigte sich sein im Verhältnis zum darüberliegenden Wall der zweiten Phase deutlich schrägere Verlauf. Wie sich die beiden zeitlich unterschiedlichen Bauwerke nach Osten und Westen fortsetzen und in welchem Verhältnis sie zu den übrigen Konstruktionsteilen um Tor 4 standen, kann aus dem Geländeprofil allein nicht geklärt werden und ist ein Ziel der künftigen Forschungen.

Klar erfaßt werden konnte der Siedlungsbereich hinter dem Wall. Oberflächlich kaum als deutliches Podium erkennbar, wurde doch im Profil die Geländekante sichtbar; im vorderen (südlichen) Teil fand sich ein schmales Gräbchen – vielleicht eine Drainage? –, dahinter konnten mehrere Pfostenlöcher ausgegraben werden, die wohl die Überreste eines Hauses sind. In diesem Bereich fand sich auch der Glasarmring; auch eine erste Sichtung der Scherben deutet an, daß es sich hier nicht um die späteste Besiedlung handelt.

 

Prospektionen

Um weitere Informationen über die vorgeschichtliche Besiedlung zu erhalten, wurden syste­matische Begehungen unternommen. Ziel war sowohl das Auf­sam­meln und Kartieren von Lesefunden als auch eine Überprüfung der z.B. von K. Reeh schematisch eingezeichneten Wohnpodien. Auffallend war die Funddichte im Bereich der Podien nördlich und nordwestlich der Grabungsfläche, also am Südwesthang zwischen unterem und mittlerem Wall.

Ein weiteres, als Negativbefund zu wertendes Ergebnis sind die Metallfunde aus dem südlichen Bereich vor Tor 4 (in der Nähe der Hohlwege): Hier konnten mit Hilfe des Detektors zahlreiche Metallfunde geborgen werden, und zwar ausschließlich Eisen. Die Humusdecke liegt offenbar unmittelbar auf dem sehr hoch anstehenden Boden auf, es gibt keine Kulturschicht und auch keinen Bims wie ca. 50 m weiter oberhalb im Bereich der Grabungsfläche 1999/2000. Die oberflächennahe Lage der Eisenfunde und das vollständige Fehlen von Bronzefunden dokumentieren sehr deutlich die illega­len Plünderungen des Kulturguts durch Raubgräber.

 

Fazit

In der Grabungskampagne 2001 konnte der aus dem letzten Jahr verbliebene Be­reich vollständig ausgegraben und dokumentiert werden. Folgende Ergebnisse sind festzuhalten:

1.     Es gibt keinen Graben vor dem Wall der zweiten Bauphase.

2.     Die Frontmauer des Walls der zweiten Phase konnte mit einiger Wahrschein­lich­keit durch zwei weitere Pfosten in Verlauf und Abstand der Pfosten (ca. 1,3–1,9 m) geklärt werden. Möglicherweise ist beim östlichen Pfosten eine den im Jahr 1999 festgestellten Zugankerkonstruktionen entsprechende Kombination mit dem mutmaßlichen Zuganker III-1 anzunehmen; zum fraglichen mittleren Pfosten konnte dagegen keine zugehörige Verankerung festgestellt werden. Der Abstand der beiden äußeren Pfosten mit Zugankerkonstruktion beträgt 3,5 m, was aus statischen Gründen zur Mauerfestigung durchaus genügend gewesen sein könnte.

3.     Aufgrund der wenigen Steine der mittleren und oberen Größenklasse aus der Fül­lung und dem Bereich südlich des Grabens ist eine komplette Mauerfront aus Stei­nen weder für die erste noch die zweite Mauerphase anzunehmen. Postuliert wer­den kann eine Verfestigung der Mauerfront(en) mit einigen Steinen (bzw. partiell) und dem kompakten lehmigen Kieselschieferschotter.

4.     Der Grabenverlauf entspricht nicht dem des Walls; verschiedene Möglichkeiten (u.a. auch die einer „Baustelle“) sind zu diskutieren, allerdings ohne weitere Grabungen westlich und östlich nicht zu verifizieren.

5.     Eindeutige Spuren der Konstruktion des ersten Walles konnten nicht festgestellt wer­den; ein einzelner Pfosten hat einen relativ großen Abstand zum Graben, und die Zugehörigkeit des Befundes 1/4 (Grabung 2000) muß als fraglich bezeichnet werden.

6.     Eine Bebauung wurde hinter dem Wall und an einem oberflächlich nicht als Podium erkennbaren Bereich nachgewiesen. Die zeitliche Tiefe der gesamten Strukturen gilt jedoch noch zu überprüfen.

7.     Über 30 Bohrprofile wurden im Bereich südlich vor Tor 4 bis zur Teerstraße zwi­schen mittlerem und oberem Wall abgetieft. Weitere Bohrungen im senkenartigen Plateau­bereich südöstlich vor Tor 4 ergaben tiefgründigere, feuchtere Substrate und eine mutmaßliche bessere Befunderhaltung.

8.     Durch Begehungen konnten zahlreiche Lesefunde und Podienplätze kartiert wer­den, vor allem am Südwesthang zwischen unterem und mittlerem Wall. Eine Detek­tor­suche weiter südlich vor Tor 4 zeigte dagegen, daß durch umfangreiche Raub­gräberaktivitäten hier bereits eine „archäologische Wüste“ vorliegt.