Grabungssaison 2002

 

Im Jahr 2002 wurden in sieben Wochen drei Bereiche innerhalb des Siedlungsgeländes untersucht. Nördlich des alten Schnittes wurde eine Fläche abgesteckt, zusätzlich wurde ein 280 qm großer Bereich rund 50 m weiter westlich ausgewählt, der mehrere Wohnpodien aufwies. Als dritter Bereich wurde ein schmaler, rund 11 qm großer Suchschnitt zwischen dem östlichen Weg (von Tor 4) und der erstgenannten Grabungsfläche angelegt.

Der Schnitt oberhalb der Grabung von 1999-2001 war im südlichen Teil oberflächlich relativ steil und ließ die Abbruchkante des Podiums vermuten; der Mittelteil lag mittig innerhalb eines Podiums, also einem künstlich abgeflachten Bereich. Im nördlichen Teil war die Fläche dagegen wiederum sehr steil. Bereits die Kartierung aller Funde (blau) zeigt, dass erwartungsgemäß im oberen Teil kaum Funde zutage kamen, der mittlere und überraschenderweise auch der untere Teil dagegen sehr fundreich waren. Möglicherweise ist letzteres damit zu erklären, dass dieser Bereich nach der keltischen Zeit am Hang/an der Abbruchkante des Podiums stärker erodiert ist. Oder durch oberflächliche Erosion wurden Funde vom Podium in den Hangbereich südlich verlagert. Deutlich wird in den beiden Seitenprofilen, dass der Schichtverlauf fast horizontal war; dies könnte auf eine stärkere Erosion der Podienkante hinweisen. Die zahlreichen Steine im Nordteil könnten möglicherweise eine Art Hangbefestigung andeuten.

Im Mittelteil wurde das Zentrum des Podiums erfasst. Hier konnte ein Hausgrundriss mit 4 Eck(?)Pfosten sowie einem Mittelpfosten dokumentiert werden. Die Eckpfosten waren an der hangabwärtigen Seite meist durch Steine verkeilt. Außer dem Mittelpfosten waren alle mit stark holzkohlehaltiger Erde verfüllt, was auf eine Zerstörung des Hauses durch ein Feuer schließen lassen könnte. Warum der mittlere Pfosten kaum Holzkohle enthielt, ist noch zu klären. Der Hausgrundriss umfasst knapp 6 qm; eine Fortsetzung des Hauses nach Osten oder Westen ist denkbar. Im Umkreis des Hauses wurden einige Funde geborgen, die Hinweise auf die Wirtschaftsweise liefern - Eisenverarbeitungsschlacke, Spinnwirtel, Webgewicht - oder zu Tracht und Kleidung gehören.

Der nördlich anschließende Teil ist in seiner unteren Hälfte relativ eben und noch dem Podium zuzuweisen; in den Seitenprofilen wird wiederum die horizontale Schichtung deutlich. Die nördliche Hälfte der Fläche war viel steiler und fast fundfrei. Es zeigten sich weder Pfostenlöcher noch eindeutige Gruben.

 

Die acht Flächen im Bereich etwa 50 m weiter westlich waren entgegen unserer Erwartungen fast befundfrei. Dass dort allerdings keine Besiedlung stattgefunden hätte, lässt sich daraus keinesfalls schließen: in der Fundmenge liegt ein Teil der Flächen  gleich hinter dem Bereich mit dem nachgewiesenen Haus. Zudem ist bei den Funden besonders auffällig, dass es sich um reines Siedlungsmaterial handelt, das den Funden der unteren Flächen entspricht: Keramik, ein Spinnwirtel, ein Webgewichtfragment, Mahlsteinreste, der Rand eines Bronzegefäßes, ein Eisenmesser mit Ringgriff, evtl. ein Hakenschlüssel sowie eine Silbermünze Typ „tanzendes Männlein“. Davon abweichend - eher im Rahmen militärischer Funde, wie sie im südlichen Vorgelände auftreten - zu interpretieren ist der Fund eines eisernen Reitersporns, mittlerweile der zweite dieser Art, ebenso eine eiserne Wangenklappe eines Helmes (?).

 

Im Bereich zwischen der unteren Grabung und dem Weg, der durch das Tor 4 führte, war bei geomagnetischen Prospektionen eine längliche Struktur erkennbar. Die Funddichte war im Vergleich zu den anderen Flächen gering. Im Ostteil konnte ein schmaler Spitzgraben dokumentiert werden, der schräg in Richtung SO verläuft. Für einen Verteidigungsgraben ist er viel zu flach und schmal, als Drainagegraben würde man eine humosere oder lehmigere und evtl. fundreichere Füllung erwarten.

Im Mittel- und Westteil wies der anstehende Fels treppenartige Abstufungen auf. Es ist nicht sicher, ob diese Abtreppung natürlichen Ursprungs ist oder in keltischer Zeit angelegt wurde. Die geomagnetischen Anomalien könnten aber dadurch erklärbar sein.

 

Die Funde

 

Die Masse der Funde besteht aus Keramik. 2002 wurden rund 4550 Funde geborgen, davon rund 90 % Keramik, immerhin auch 5 % Eisen.

 

 

Die Keramikscherben gehören zu Gefäßen verschiedenster Art, sowohl grobe Koch- und Vorratsgefäße als auch feintonige polierte oder verzierte Gefäße. Vier Spinnwirtel und zwei Webgewichtfragmente - ein unmittelbarer Nachweis von Standwebstühlen - belegen die Produktion von Wolle und Textilien. Zum typischen Siedlungsmaterial zählen auch zahlreiche Fragmente von mehreren runden Drehmühlen aus Basalt sowie aus Quarzit-Sandstein, die wahrscheinlich in jedem Haushalt zum Mahlen des Getreides vorhanden waren.

Es wurden mindestens elf Fragmente von Fibeln (verzierte „Sicherheitsnadeln“) gefunden, davon drei aus Bronze. Nur ein Stück ist genauer bestimmbar, es handelt sich um eine sog. Nauheimer Fibel. Wahrscheinlich wird die Restaurierung weitere interessante Stücke ergeben. Ein Bronzearmring mit überlappenden Enden ist ein typischer Fund für den Dünsberg. Die Verzierung ist unter der Patina nicht zu beurteilen, wahrscheinlich trägt der Ring Strichgruppen.

Die halbe Ringperle aus kobaltblauem translucidem Glas mit gelben Streifenauflagen ist der bislang erste bekannte Fund dieser Art vom Dünsberg. Im letzten Jahr wurde nur wenige Meter entfernt im Bereich eines Hauses das Fragment eines kobaltblauen Glasarmrings gefunden.

Ein großes Stück Schlacke stammt aus dem Verarbeitungsprozess von Eisen, möglicherweise aus einer Schmiede. Damit ist für diesen Bereich der Siedlung indirekt eine eisenverarbeitende Werkstatt nachgewiesen.

Ein silbriger Gussbrocken könnte ein weiterer Hinweis auf Metallhandwerk am Dünsberg sein. Eine metallurgische Untersuchung (Uni Frankfurt) wird hoffentlich Aufschluss darüber geben, ob das Stück in keltische Zeit datiert und evtl. sogar mit der Münzprägung in Zusammenhang gebracht werden kann.

 

Die rund 80 Mitarbeiter, die in diesem Jahr wieder ehrenamtlich auf der Grabung ihren Urlaub verbracht haben, setzen sich aus allen Alters- und Berufsgruppen zusammen. Einige Archäologie-Studenten arbeiten für einen „Schein“, machen also hier ihr Grabungspraktikum. Alle sind aber aus reinem Interesse und Begeisterung für die Archäologie dabei - viele Rentner oder Hausfrauen aus der Umgebung, Vermesser aus Norddeutschland, Journalisten, Lehrer, Schüler, Ärzte, Softwaredesignerin.... Für internationales Flair sorgten ein Neuseeländer, zwei Basken, zwei Slowakinnen, zwei in Saudi-Arabien wohnende Amerikaner und ein Brite.

 

Grabungstechnik

Aufgrund der Bodenverhältnisse mit saurem, stark durchwurzeltem und extrem steinigem Boden werden die Flächen 10-15 cm-weise abgetragen. Die einzelnen Schichten werden in Foto und Zeichnung dokumentiert. Mit Hilfe eines Tachymeters werden alle Funde dreidimensional eingemessen, die Befunde usw. werden mit jeweils eigenen Kodierungen versehen im Tachymeter abgespeichert. Täglich nach der Grabung werden die Daten in den Laptop eingelesen und in die Grabungs-Datenbank SingulArch, einer speziell für die Archäologie entwickelten Access-Applikation (www.singularch.de), importiert. Dieses Programm wiederum gewährleistet einen Export der Messwerte in das Programm AutoCAD, wo die verschiedenen Kategorien in je eigenen Layern kartiert werden. Durch dieses System konnte zudem auf ein lokales Grabungsnetz verzichtet und die gesamte Vermessung direkt im Gauß-Krüger-System durchgeführt werden. Die Datenbank beinhaltet zudem alle nötigen Informationen zur Grabung - die Fundzettel, mit denen die einzelnen Fundtüten versehen werden, das Grabungstagebuch, die Befundliste mit den Beschreibungen der einzelnen Aktionen usw.